Praxisbericht von Mirco Jung

im Rahmen seines Dualen Studiums an der Alanus Hochschule, Alfter

Mein Name ist Mirco Jung und ich habe 2020 meine Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement bei PRIOGO erfolgreich abgeschlossen. Nach meiner Ausbildung wollte ich direkt studieren gehen. Leider blieb mir dieser Plan vorerst verwehrt. Nach einem halben Jahr in einer Vollzeitstelle bei PRIOGO, wurde mir angeboten ein duales Studium anzutreten. Ein Angebot das ich sehr gern angenommen habe und nun an der Alanus Hochschule Alfter „BWL – Wirtschaft neu denken mit beruflicher Praxis“ studiere.

Ich habe mein erstes Semester und meine erste Praxisphase abgeschlossen. Im Rahmen meiner Praxisphase habe ich den folgen Praxisbericht verfasst.

Mein Wunsch ist es durch diesen Bericht das Thema Service zu dieser schwierigen Zeit – der Flutkatastrophe – einmal aus einer anderen Sicht zu beleuchten.

Meine erste Praxisphase bei der PRIOGO AG habe ich im Service verbracht. Obwohl ich bereits in meiner Zeit als Sacharbeiter und Auszubildender in dieser Abteilung tätig war, konnte ich viele neue Eindrücke gewinnen und Erfahrungen sammeln. Die Zeit war sehr intensiv und ich habe solch eine berufliche Belastung, in dieser ausgeprägten Form, in meinem gesamten bisherigen Berufsleben, noch nie zuvor verspürt. Diese Belastung kam durch die folgenschwere Flutkatastrophe zustande, welche sich vom 14.07.2021 auf den 15.07.2021 in unmittelbarer Nähe meiner Arbeit und meiner Heimat ereignete.

Am 12.07.2021 begann ich meine Arbeit in der Abteilung Service. Da ich bereits an unser neues Warenwirtschaftsprogramm gewöhnt war und dieses auch im Kundendienst mit gestaltet habe, musste ich hier nicht eingearbeitet werden und konnte somit direkt selbstständig mit meiner Arbeit beginnen. Unser Warenwirtschaftsprogramm ist webbasiert und bietet jedem Kunden mit bestimmten Einschränkungen einen Zugang. Im Kundendienst arbeiten wir mit einem Ticketsystem, in welchem wir für jeden Servicefall ein Ticket angelegen. Dieses Ticket ist für jeden Servicemitarbeiter sichtbar und kann von diesem bearbeitet werden. Dazu weist er sich das Ticket zu und fängt mit der Problembehandlung an. Der Kunde wird darüber informiert, wenn der Status des Tickets verändert wird. Somit kann er durch das Ticket sofort feststellen, welcher Servicemitarbeiter für seinen Fall zuständig ist und kann diesen über das Ticket selbst durch eine Nachricht kontaktieren. Der Vorteil dieses Ticketsystems ist, dass alle Informationen gebündelt in ein Ticket zusammenfließen und auch bei Ausfallzeiten weiterbearbeitet werden kann.

Zu Beginn waren es die gewohnten Anfragen, welche unser Ticketsystem erreichten:

– Wechselrichterstörungen
– Kommunikationsstörungen zwischen Portal und Wechselrichter
– Montagefehler/Mängel
– Defekte Kommunikationseinheiten
– Defekte Wechselrichter/Wallboxen/Speicher
– Ertragsabweichungen
– Allgemeine Anfragen

Auch wenn sich jede Anfrage unterscheidet, sind diese dennoch vom Arbeitsablauf alle ähnlich und ich habe fast jedes Problem in der Vergangenheit bereits mehrfach bearbeitet.

Unerwartet kam dann die Flutkatastrophe in der Nacht vom 14.07.2021 auf den 15.07.2021. Nachdem über die Straße, auf der ich lebe, am Abend ein kleiner Fluss geflossen ist und ich bis spät in die Nacht geholfen habe das Wasser abzuleiten, bin ich am nächsten Tag zur Arbeit gefahren. Unsere Firma blieb zum Glück von jeglichen Schäden verschont, doch viele Kollegen hat die Flutkatastrophe unmittelbar getroffen. Somit waren wir nur sehr wenige Mitarbeiter im Büro und da das Telefon ebenso wie das Internet nicht funktionierte, wurde beschlossen den Betrieb für diesen Tag zu schließen. Ich selbst habe mich dann über das Wochenende mit ein paar Freunden auf den Weg in die betroffenen Gebiete gemacht, um dort den Anwohnern zu helfen. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie sehr mir dies in den kommenden Wochen bei meiner Arbeit im Service helfen würde.

In der Woche nach der Flutkatastrophe haben wir im Service unsere Arbeit wieder aufgenommen. Eine Flut an neuen Tickets schaffte eine unübersichtliche Situation. Ich beschloss mich an meinen Vorgesetzten zu wenden, um ein Meeting einzuberufen, in welchem wir eine gemeinsame Vorgehensweise besprechen können. Wir beschlossen so schnell es geht unsere Monteure zu den betroffenen Kunden zu schicken, da wir nach und nach erfuhren, dass die Wechselrichter, welche unter Wasser standen, nun Knallgas entwickeln und zu explodieren drohten. Unsere Einsätze habe ich geplant und koordiniert. Mein Ansatz dabei war natürlich, die Einsatzorte so zu verbinden, dass der Monteur eine kurze Anfahrtszeit von Kunde zu Kunde hat. Dies ist mir sehr gut gelungen, denn so konnten die Monteure bis zu 8 Kunden an einem Tag bedienen.

Des Weiteren habe ich ein Schadensformular erstellt, welches die Monteure vor Ort ausfüllen konnten, um den Schaden an der PV Anlage zu dokumentieren. Das Schadensformular konnten wir den Monteuren leider nicht digital in unserem Ticketsystem zur Verfügung stellen, da zu diesem Zeitpunkt in den betroffenen Gebieten meist keine Internetverbindung vorhanden war. Da wir im Service keine Ausbildung im Bereich der Elektrik genossen haben, war dies sehr wichtig für uns. Der Monteur konnte alle defekten Teile auf dem Formular detailliert notieren, sodass wir im Service weniger Nachfragen stellen mussten und die Monteure sich weiter um die unmittelbar betroffenen Kunden kümmern konnten.

Natürlich lief nicht alles so reibungslos wie erhofft. In unserem Terminkalender kurzfristige Termine für die Kunden zu finden war nicht einfach, da wir zur Zeit der Flutkatastrophe schon sehr gut verplant waren. Außerdem waren uns zu diesem Zeitpunkt Kollegen durch Verletzungen, Krankheit und Urlaub ausgefallen. Leider konnten wir nicht jeden Kunden direkt bedienen und so war der ein oder andere Kunde berechtigt verärgert. Diese versuchten wir dann zu beruhigen und sich deren Fall so schnell wie möglich anzunehmen, was jedoch nicht immer möglich war.

Nachdem die ausgefüllten Schadensformulare der Monteure bei uns im Service eingetroffen waren und wir den Wechselrichter beim Kunden gesichert hatten (wir haben die Kabel, welche von der PV-Anlage auf dem Dach zum Wechselrichter führen, gekappt und isoliert) wurde die Belastung und die enorme Arbeit, welche der Service nun tragen muss, erst richtig klar. Der Arbeitstag bestand nun fast ausschließlich aus telefonieren, Schadensformulare auswerten, weitere Termine planen, mit den Herstellern der defekten Geräte Rücksprache halten und Kostenvoranschläge für die Versicherung der Kunden erstellen. Zusätzlich mussten die „normalen“ Servicefälle, wie oben beschrieben, nach Priorität nach den Hochwasserschäden abgearbeitet werden.

Da wir für unsere Kunden ebenfalls eine Versicherung der PV-Anlage anbieten, waren rund 60% der betroffenen Kunden über uns versichert. Somit hatten wir die Aufgabe den Kostenvoranschlag, die vor Ort aufgenommene Dokumentation, sowie weitere Schadensformulare an die Versicherung weiter zu reichen. Mit unserer Versicherung musste dahingehend auch geklärt werden, welche Teile nun versichert sind, wie die Erstattung erfolgen soll und welche Dokumente noch zusätzlich eingereicht werden müssen. Dies wurde meist per Mail oder Telefon für jeden separaten Schadensfall angefordert.

In den letzten Tagen habe ich mich hauptsächlich mit Punkten beschäftigt, welche durch die Reparatur auf uns zukommen werden. Damit verbunden habe ich bei unseren Monteuren mehrere Wochen für diese Arbeiten geblockt und ein Formular erstellen lassen, in welchem der Monteur, der die Arbeiten vor Ort durchführen soll, darüber informiert wird, welche Materialien und Geräte er benötigt. Denn bei der ein oder anderen Anlage müssen mehr oder weniger Materialien verwendet werden. Das Formular beinhaltet das Datum des Einsatzes, den Einsatzort, den Kundennamen und alle bei der Schadensaufnahme als defekt deklarierten Teile. Ich habe diesen Weg so gewählt, da es aus mehreren Gesichtspunkten einen Vorteil für uns bringt:

1. Der Monteur, den wir für die Reparatur einplanen bekommt durch dieses Formular direkt die Übersicht, welche Materialien und Geräte er sich vor dem Einsatz im Lager abholen kann.
2. Wenn wir dieses Formular nicht erstellt hätten, würde jeder Monteur morgens am Einsatztag bei uns stehen und Nachfragen stellen, was für uns und für ihn einen Zeitverlust bedeutet.
3. Des Weiteren erhalten wir im Service, wenn das Formular komplett ausgefüllt wurde, eine detaillierte Aufstellung der verwendeten Materialien und können somit den Kostenvoranschlag richtig anpassen.

Nachdem ich von manchen Kunden, sowie von unserer Versicherung schon die Information erhalten habe, dass der Kostenvoranschlag angenommen wurde, habe ich mit der Planung der Termine begonnen. Diese gestaltet sich jetzt etwas schwieriger als bei einem normalen Servicefall. Die Probleme sind:

1. Unsere Kapazitäten sind durch die Hochwasserkatastrophe, sowie Krankheit und Urlaub stark eingeschränkt.
2. Die meisten Kunden müssen als erstes ihre Keller leer räumen, säubern und anschließend renovieren und benötigen folglich Zeit.

Daher habe ich in den Kalendern der Monteure, die bereits für die hochwassergeschädigten Kunden geblockten Wochen großzügig erweitert.

Um noch einmal auf die Kostenvoranschläge einzugehen:
Um diese zu erstellen haben wir im Service viel mit der Montageleitung zusammengearbeitet. Da es sich in einigen Fällen um alte Wechselrichter handelte, welche heute auch in dieser Art nicht mehr vertrieben werden, haben wir uns durch Hilfe der Montageleitung dazu entschieden, diese gegen neue Wechselrichter zu tauschen. Es war sehr interessant die Voraussetzung zu erlernen, welche einen solchen Tausch ermöglichen. Als Beispiel hierzu: Ein Kunde hatte drei alte, nun defekte Wechselrichter. Wir werden ihm nun einen neuen Wechselrichter verbauen, welcher technisch hochwertiger ist, aber insgesamt kostengünstiger als der Tausch der drei alten Geräte.

Meine Praxisphase abschließend zusammengefasst:

Aufgaben in meiner Praxisphase:
– Servicefälle bearbeiten
– Versicherungsfälle bearbeiten
– Kommunikation mit Kunden
– Kommunikation mit Versicherung und Herstellern
– Einsatzplanung
– Angebotserstellung + Einkauf
– Rechnungsstellung + Verkauf

 Was habe ich in meiner Praxisphase gelernt?
– Krisenmanagement
– Zeitmanagement
– Verantwortung zu übernehmen
– Telefonate professionell zu führen
– Technisches Wissen verbessert
– Entscheidungen zu fällen
– Probleme eigenständig zu lösen

In welchen Bereichen möchte ich mich in Zukunft verbessern:
– Priorisieren von Aufgaben
– Technisches Wissen
– Schriftliche Kommunikation mit Kunden
– Eigenen Standpunkt vertreten